Analysieren, wach sein, warnen und dranbleiben – Ein Blick auf rechtsextreme Akteur:innen im neuen Europaparlament

Als Sprecher meiner Fraktion für Strategien gegen Rechtsextremismus und als Mitglied im Europaausschuss ist es mir wichtig, die Folgen der Europawahlergebnisse genau im Blick zu haben: Welche Akteur:innen sind die nächsten fünf Jahre im Parlament präsent und wie steht es vor diesem Hintergrund um rechtsextreme und antisemitische Positionen?

Gerne gebe ich Euch hier einen Kurzüberblick über meine ersten Analysen:

 

  1. Die AfD-Ergebnisse in Bayern

Die AfD kam in Bayern bei der Europawahl auf 12,6 % – ein Plus von 4,1 % im Vergleich zur letzten Europawahl 2019. Sie liegt damit unter dem Bundesdurchschnitt (15,9 %) und unter dem Wert der Landtagswahl 2023 (Gesamtstimmenanteil 14,6 %).

Am meisten Zustimmung erhielt die AfD in Niederbayern mit 16,7 % (plus 6,3 % im Vgl. mit 2019, 17,9 % Gesamtstimmenanteil bei der LT 2023). Gut lief es für die AfD mit 15,2 % auch in der Oberpfalz (+5,5 % vs. 2019, 17,7 % LT 2023) und mit 14,7 % in Oberfranken (+5,3 % vs. 2019, 17,4 % LT 2023]). Es folgen Schwaben mit 13,9 % (+4,9 % vs. 2019, 16,9 % LT 2023), Unterfranken mit 12,8 % (+4,6 % vs. 2019, 15,5 % LT 2023) und Mittelfranken mit 12 % (+3,6 % vs. 2019, 13,8 % LT 2023). Am wenigsten Stimmen erhielt sie in Oberbayern mit 10,1 % (+2,6 % vs. 2019, 11,2 % LT 2023).

 

  1. Die Akteur:innen und Inhalte hinter den Prozenten

Welche Inhalte und Gefahrenpotenziale die Zugewinne der AfD bedeuten, zeigt sich schon bei einem Blick auf die beiden bayerischen AfD-Abgeordneten Petr Bystron und Markus Buchheit. An diesen Personen zeigt sich, dass die AfD trotz ihres Umgangs mit dem Spitzenkandidaten Maximilian Krah nicht vor extremen Kandidaten zurückschreckt. So solidarisiert sich Bystron mit der mutmaßlichen Rechtsterroristin Birgit Malsack-Winkemann, hängt antisemitischen Verschwörungsideologien an, nutzte eine Dienstreise nach Südafrika für private Schießübungen bei einer rassistischen Organisation und wurde vom Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz wegen seiner Nähe zur Identitären Bewegung (IB) beobachtet. Zudem wird gegen ihn in wegen Geldwäsche und Bestechlichkeit ermittelt. Auch Markus Buchheit bedient sich auf Social Media regelmäßig menschenverachtender und flüchtlingsfeindlicher Parolen und beteiligt sich an rechtsextremen Kampagnen. Die neue AfD-Delegiertengruppe im Europaparlament ist damit noch einmal mehr zur Bedrohung für ein liberales und menschenrechtsbasiertes Europa geworden.

 

  1. Fazit

Die Ergebnisse zeigen deutlich: Die AfD ist in Bayern auf dem Weg, sich auf hohem Niveau zu stabilisieren. Vor allem in der östlichen Landeshälfte zeichnet sich ein ‚blauer Gürtel‘ von Niederbayern über die Oberpfalz nach Oberfranken ab. Die Radikalisierung der Partei und der immer normalisierende Umgang mit antisemitischen, menschenfeindlichen Haltungen ebenso wie mit kriminellen Machenschaften und offenen Ermittlungsverfahren deutet hier darauf hin, dass der Rahmen des Sag- und Wählbaren sich auch für nicht geringe Teile der Wählerschaft massiv erweitert hat. Dabei zeigen sich zwar weiter Diskrepanzen zwischen ländlichen und städtischen Räumen, doch sind diese nicht (mehr) so eindeutig, als dass sich die Erfolge der AfD allein mit einem Stadt-Land-Gefälle erklären oder relativieren ließen. Obwohl die AfD in urbanen Räumen oft die geringste Zustimmung erhält, greift eine Analyse, die die AfD auf dem Land verortet zu kurz. Vgl. die Höchstwerte in Schweinfurt und Ansbach, aber auch die 12,1 % in Augsburg. Zu überprüfen wäre, inwiefern vorhandene neonazistische Strukturen (z. B. das Bürgerbüro der neonazistischen Partei „Der III. Weg“ in Schweinfurt) und kontinuierliche rechtsoffene Proteste (bspw. die Corona-Demos in Ansbach) zu einer lokalen Normalisierung von AfD-Positionen beigetragen haben. Auch bei uns in Schwaben könnte das der Fall sein – man denke nur an das Rechtsextremen-Treffen in Dasing bei Augsburg zurück.

Hier greifen weitreichende Machtverschiebungen auf europäischer Ebene mit einer starken lokalen ebenso wie europaweiten Vernetzung von Vorfeldorganisationen und Denkfabriken neonazistischer Couleur ineinander. Es zeigt sich einmal mehr, dass sich unser Rechtsstaat nur wehren kann, wenn er die komplexen Netzwerke und Zusammenhänge als Ganze betrachtet und sich nicht scheut, Verdachtsfälle klar zu benennen und als solche zu behandeln. Das Einsickern rechtsextremen Gedankenguts dürfen wir nicht einfach hinnehmen!

Daher gilt auch für mich: Ich werde insbesondere den bayerischen und schwäbischen Akteur:innen gezielt auf die Finger schauen. Konkret erarbeite ich dazu immer wieder Anfragen im Plenum, bei denen das Innenministerium Rede und Antwort zum aktuellen Stand bei Ermittlungen und Präventionsmaßnahmen stehen muss. Auch setze ich mich durch den regelmäßig von mir erstellten Lagebericht Rechtsextremismus dafür ein, dass den politischen Entscheidungsträger:innen ebenso wie der Zivilgesellschaft übersichtliche und transparente Informationen zum Stand der Szene zur Verfügung gestellt werden. Der nächste Lagebericht wird zeitnah erscheinen – soeben wurde mein Finanzantrag dafür von meiner Fraktion angenommen und bewilligt.

Analysieren, wach sein, warnen und dranbleiben – das werde ich weiterhin tun!

Euer

Cemal Bozoğlu