Blick aus Bayern auf rechtsradikale bzw. verschwörungsideologische Strukturen bei der Bundestagswahl

1.) Alternative für Deutschland (AfD)

 Die AfD trat in Bayern mit dem Spitzenkandidaten Peter Boehringer an, der bereits Mitglied des Deutschen Bundetags ist und dort seit 2018 den Haushaltsausschuss leitet. Die rechtsradikale Partei hat mit einem Zweitstimmenergebnis von neun Prozent in Bayern insgesamt mehr als im Bund (10,3 Prozent) verloren und gegenüber der Bundestagswahl 2017 3,4 Prozent an Zustimmung eingebüßt. Auf Bundesebene ist es hingegen ein Minus von 2,3 Prozent, wie aus dieser Grafik deutlich wird:

Tabelle für den Beitrag Blick aus Bayern
Tabelle für den Beitrag Blick aus Bayern

Es gibt aber innerhalb Bayerns erhebliche Schwankungen in den Wahlkreisen und Regionen, in denen der Zweitstimmenanteil der AfD zum Teil mehr als drei Mal so hoch ist wie in anderen. In der folgenden Grafik haben wir angeschaut, in welchen Wahlkreisen die AfD in Bayern jeweils ihre besten und schlechtesten Ergebnisse hat. Zur Erinnerung: 2017 waren Deggendorf (19,2), Straubing (18,4) und Schwandorf (17,4) die Spitzenreiter im negativen Sinne, wohingegen die Wahlkreise München West-Mitte (7,7), sowie mit jeweils 8,6 München-Süd, München-Ost und München-Nord diejenigen mit den geringsten Werten für die AfD darstellten. Nun der Blick auf 2021: 

Schlusslicht bleibt der Wahlkreis Deggendorf mit einem Zweitstimmenanteil von 14,1 Prozent, wohingegen die Partei in den Wahlkreisen der Stadt München nur zwischen 4,3 bis 4,6 Prozent erhalten hat. Die AfD hat zwar in allen (!) Wahlkreisen an Zustimmung verloren; auffällig ist aber weiterhin, dass die Zustimmung in Ostbayern höher ist. 

Kurz gesagt: Die Wahlkreise Rosenheim (-5,2), Straubing (-5,2) Deggendorf (-5,1) und Ingolstadt (-5,1) sind diejenigen, in denen die Zweitstimmen für die AfD am stärksten eingebrochen sind. Eher gering sind die Verluste allerdings in Bad Kissingen (-1,0), Coburg (-1,2), Hof (-1,5) und Bayreuth (-1,6). 

Die AfD Fraktion im Bundestag umfasst insgesamt 83 Abgeordnete. Das sind elf weniger als nach der letzten Bundestagswahl. Grundsätzlich spricht die Rechtsextremismusforschung von einer „Professionalisierung der Radikalisierung“, wenn sie die neuen Abgeordneten der AfD im Bundestag analysiert. Personell lässt sich diese These leicht belegen bei Namen wie Matthias Helferich, der sich in einem Chat selbst als „das freundliche Gesicht des NS“ bezeichnet und deshalb vorerst nicht in die Fraktion aufgenommen wurde. Aus der Partei ist er allerdings nicht ausgeschlossen. Teil der AfD Fraktion ist nun auch der ehemalige Bundeswahrsoldat Hannes Gnauck, den der Militärische Abschirmdienst (MAD) mit der Sicherheitsstufe „Rot“, also als „Extremist“, kennzeichnet hat und der vom Dienst suspendiert wurde. Er gilt als Höcke nah. Genauso wie die neue Abgeordnete Christina Baum, die auch Bezüge zur Identitären Bewegung aufweist und Unterzeichnerin der Erfurter Resolution des „Flügel“ ist. In einer Veranstaltung des rechtsextremen Compact-Magazins bezeichnete sie die Flüchtlingspolitik als „einen schleichenden Genozid am deutschen Volk“. Neu in der Fraktion ist auch Roger Beckamp aus NRW, der die Herstellung rechtsextremer und antisemitischer Videospiele wie den „Heimat Defender“ finanziert, in denen die Spieler*innen auf Figuren schießen, die unter anderem Angela Merkel und Jan Böhmermann nachempfunden sind. Die Verbindungen solcher Abgeordneter in die rechte Szene sind eindeutig. 

Die aus Bayern in der neuen AfD-Fraktion vertretenen Abgeordneten sind mit zwölf ebenfalls zahlenmäßig geringer als 2017. Damals waren es noch 15 gewesen. Personell hingegen ist das Tableau beinahe unverändert. Neu in der AfD-Fraktion ist lediglich Rose Gerrit Huy aus dem Wahlkreis Weilheim. Der bayerische Landesverband der AfD hat kurz nach der Wahl einen weiteren Rechtsruck erfahren, indem dort mit dem Bundestagabgeordneten Stephan Protschka ein Landesvorsitzender gewählt wurde, dem laut Medienberichten in der Partei eine Nähe zum mittlerweile formal aufgelösten „Flügel“ nachgesagt wird. Laut einem Bericht von BR 24 sind mit Martin Böhm und Dr. Rainer Rothfuß zudem zwei der drei stellvertretenden Landesvorsitzenden sowie die beiden Schriftführer*innen des Landesvorstands Ferdinand Mang und Kathrin Knabe dem Rechtsaußenspektrum der Partei zuzurechnen.

2.) Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) 

Die rechtsextreme NPD trat in Bayern mit ihrem Spitzenkandidaten Sascha Roßmüller an, der zugleich Landesvorsitzender ist. Weitere Kandidat*innen auf der Landesliste in chronologischer Reihenfolge waren Heidrich Klenhart (Vorsitzender des Bezirksverbands Oberpfalz), Renate WerIberger (Vorsitzende des Kreisverbands München), Axel Michaelis (Stellv. Landesvorsitzender und Landesgeschäftsführer) sowie Rainer Hatz (Stellv. Vorsitzender des Kreisverbands Nürnberg). Ihren rassistisch und queerfeindlich geprägten Wahlkampf richtete die NPD teilweise direkt gegen grüne Ideen aus, indem sie ein Wahlplakat verwendete, dass die Überschrift „Grün muss weg“ trug und durch seine Symbolik eine Gegnerschaft zu geschlechtlichen Gleichstellungsmaßnahmen, Elektroautos und Moscheen erkennen ließ. Zudem sprach sich die NPD im Wahlkampf gegen eine Maskenpflicht im Rahmen der Coronaschutzmaßnahmen aus und betonte auf einem Wahlplakat gegen eine vermeintliche „Zwangsimpfung“ zu sein. Die Partei erreichte lediglich einen Zweitstimmenanteil von 0,1 Prozent und verlor gegenüber dem Wahlergebnis von 2017 weitere 0,2 Prozent. Damit bewegt sie sich hinsichtlich der Wähler*innenzustimmung weiterhin im politisch bedeutungslosen Bereich und hat diesen Status durch die Stimmverluste gefestigt.

3.) Der Dritte Weg (III. Weg) 

Der „III. Weg“ trat in Bayern sowie in ganz Deutschland erstmals zu einer Bundestagswahl an. In Bayern trat die rechtsextreme Organisation dazu mit dem Spitzenkandidaten und stellvertretenden Landesvorsitzenden Karl-Heinz Statzberger an, der zugleich ein verurteilter Rechtsterrorist ist. Zusammen mit Statzberger traten auf der Landesliste außerdem die Parteimitglieder Christian Uhlstein (Platz Zwei) und Roger Kuchenreuther (Platz Drei) aus Oberfranken an. Durch provokative Wahlkampfaktionen, in denen nahezu unverhohlen zum Mord an politischen Gegner*innen aufgerufen wurde, gelang es der rechtsextremen Partei bundesweit Aufmerksamkeit zu erlangen. Dazu zählten Wahlplakate mit dem Slogan „Hängt die Grünen“, die auch in Bayern platziert wurden, aber durch die Polizei aufgrund des Verdachts der Aufforderung zu Straftaten wieder abgehängt wurden. Außerdem zählte dazu eine Aktion am 18. September 2021 in Würzburg, in der die Partei drei mit Blutspritzern versehene Leichenpuppen öffentlich auslegte und dahinter Fotos der Kanzlerkandidat*innen Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen), Armin Laschet (CDU) und Olaf Scholz (SPD) aufgestellt hatte, hinter denen deutlich sichtbar das Parteiplakat mit der Aufschrift „Reserviert für Volksverräter!“ zu sehen war. Durch den Einbau einer zweiten Bedeutungsebene, die auch in die zuvor erwähnten Wahlplakate integriert wurden, wollte sich die rechtsextreme Partei vor strafrechtlicher Verfolgung absichern, was ihr in Würzburg beinahe gelungen wäre. Dort nahm die Staatsanwaltschaft erst nach mehreren Anzeigen wegen dem Tatverdacht der Aufforderung zu Straftaten Ermittlungen auf. Das Wahlergebnis der Partei beträgt in Bayern wie im Bund 0,0 Prozent der Zweitstimmen und bewegt sich damit im elektoral bedeutungslosen Bereich.

4.) Basisdemokratische Partei Deutschlands (Die Basis)

Diese verschwörungsideologische „Querdenken“-Partei gründete sich am 4. Juli 2020 im hessischen Kirchheim aus der Querdenkerszene heraus und verfügt seit dem 26. Juli 2020 auch über einen bayerischen Landesverband. In Bayern trat sie mit dem Spitzenkandidaten Prof. Dr. Andreas Sönnichsen (Kreisverband München) an, der Facharzt für Innere Medizin und Universitätsprofessor an der Medizinischen Universität Wien ist. Weitere Kandidat*innen auf den vordersten Listenplätzen waren in chronologischer Reihenfolge Prof. Dr. Christian Kreiß (Kreisverband Dachau-Fürstenfeldbruck), Frank Rödel (stellv. Landesvorsitzender), Waldemar Kiessling (Kreisverband München) und Claudia Rödel (Kreisverband München). Auffällig ist, dass mit Frank Rödel darunter lediglich ein Mitglied des bayerischen Landesvorstands ist. Das zentrale Thema im Wahlkampf war für die Partei die Kritik an den Coronaschutzmaßnahmen. Sie machte zudem öffentlich ihre Unterstützung für das bayerische Volksbegehren „Landtag abberufen“ deutlich. Mit einem Zweitstimmenergebnis von 1,7 Prozent bleib „Die Basis“ zwar weit hinter ihren Erwartungen zurück, erreichte für einen ersten Wahlantritt jedoch ein ausreichendes Ergebnis, das es ihr ermöglicht, an der staatlichen Parteienfinanzierung teilzuhaben.