Welche reale Gefährdungslage gibt es im Blick auf das rechtsextreme Spektrum und Mitglieder der Reichsbürger-Szene in Bayern? Welche Kenntnisse hat die Staatsregierung hinsichtlich des Rekrutierungspotenzials und dem Waffenbesitz dieser Kreise? Die Antwort auf eine aktuelle Anfrage unserer Grünen Landtagsfraktion verweist auf ein alarmierendes Bild.
- Die Staatsregierung hat keine konkreten Erkenntnisse über die aktuelle Gefährdungslage durch terroristische Anschläge und gewalttätige Aktionen von Rechtsextremist*innen, Reichsbürger*innen oder Verschwörungsideolog*innen. Die Bildung weiterer terroristischer Gruppierungen aus dem rechtsextremen Spektrum wird aber für möglich gehalten. Auf die hohe Affinität der rechten Szene zu Waffen und Sprengstoffen wird verwiesen. Besonders durch rechte Straf- und Gewalttaten gefährdet sind Personen des öffentlichen Lebens, Repräsentanten des Staates, Bürgerinitiativen und Medieneinrichtungen, die sich kritisch mit dem Rechtsextremismus auseinandersetzen, sowie jüdische Einrichtungen und Personen. Zu aktuell möglicherweise in Bayern anhängigen Verfahren gegen rechtsextreme kriminelle oder terroristische Vereinigungen bzw. ihre Mitglieder und Unterstützer erteilt die Staatsregierung keine Auskunft.
- Gegenwärtig laufen Verfahren der Bundesanwaltschaft gegen die Hauptbeschuldigten der ‚Vereinten Patrioten‘ und der ‚Patriotischen Union‘ vor dem OLG in Frankfurt, Stuttgart, München und Koblenz. Unter den Angeklagten befinden sich jeweils auch zahlreiche Personen aus Bayern. In beiden Ermittlungskomplexen wurden weitere Verfahren gegen mutmaßliche Mitglieder bzw. Unterstützer vom Bundesanwalt an die Generalstaatsanwaltschaft in München abgegeben. Im Komplex gegen die Verschwörergruppe um Heinrich VIII. Prinz Reuß wurden fünf weitere Verfahren gegen insgesamt 13 Beschuldigte an die bayerische Staatsanwaltschaft abgegeben. Im Komplex der Vereinigung ‚Vereinte Patrioten‘ sind es weitere vier Verfahren gegen vier Beschuldigte, die an die bayerischen Behörden abgegeben wurden.
- Eine besondere Gefährdung geht von Rechtsextremist*innen oder Reichsbürger*innen aus, die im Besitz einer Waffenerlaubnis sind. In Bayern waren Ende 2024 immer noch 20 Personen aus dem Reichsbürgermilieu im Besitz einer Waffenerlaubnis (davon 13 Personen mit einer Waffenbesitzkarte, die den Besitz von Schusswaffen erlaubt). Insgesamt befanden sich 54 erlaubnispflichtige Waffen im Besitz dieser Personen. Außerdem sind in Bayern auch noch 23 Rechtsextremist*innen im Besitz einer Waffenerlaubnis (21 Personen mit Waffenbesitzkarte). Insgesamt besitzen diese Rechtsextremist*innen 84 erlaubnispflichtige Waffen.
- Äußerst alarmierend ist die hohe Zahl der offenen Haftbefehle gegen Personen aus der rechten Szene und dem Reichsbürgermilieu. Im Jahr 2024 bestanden 184 Haftbefehle gegen Rechtsextremist*innen und 156 Haftbefehle gegen Reichsbürger*innen und Verschwörungsideolog*innen. Allein 127 Haftbefehle gegen Rechtsextremist*innen und 131 Haftbefehle gegen Reichsbürger*innen/Verschwörungsideolog*innen wurden im Jahr 2024 neu ausgestellt. Mehr als die Hälfte der offenen Haftbefehle wurde aufgrund von Straftaten aus dem Bereich der politisch motivierten Kriminalität ausgestellt. Die große Zahl der Haftbefehle ist ein Indiz für das hohe kriminelle Potenzial der rechten Szene.
Für mich ist klar:
Bayern ist ein wichtiges Rekrutierungsfeld für terroristische Vereinigungen – insbesondere aus dem Umfeld der sogenannten Reichsbürgerbewegung. Das zeigt sich deutschlandweit an gleich mehreren Verfahren, bei denen Beschuldigte aus Bayern auf der Anklagebank sitzen. Zugleich ist diese Szene sowie das rechtsextremistische Milieu noch immer im Besitz zahlreicher Waffen und die Zahl der offenen Haftbefehle geht inzwischen in die Hunderte. Die Staatsregierung müsste längst höchst alarmiert sein. Doch sie wirkt angesichts dieser Entwicklungen teilnahms-, wenn nicht sogar hilflos.
Dabei ist gegenüber diesen Milieus, die unsere Art zu leben und unsere Demokratie bedrohen, Stärke gefragt! Es braucht personell gut ausgestattete Sicherheitsbehörden, umfassende Aufklärung und Strafverfolgung, einen erhöhten Fahndungsdruck und vor allem endlich die vollständige Entwaffnung der rechtsextremen Szene und der Reichsbürgerbewegung!
Meine Fraktion und ich fordern daher:
… eine umfassende Aufklärung und konsequente Strafverfolgung von terroristischen und gewalttätigen Organisationen und Aktivitäten aus der rechten Szene. Dies gilt auch für gewalttätige und terroristische Aktivitäten aus dem Reichsbürgermilieu. Die Sicherheitsbehörden und die Staatsanwaltschaft brauchen das nötige Personal zur Aufklärung dieser Gefährdungspotenziale. Von staatlicher Seite brauchen wir zudem ein umfassendes und ressortübergreifendes Handlungskonzept zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit in all ihren Formen.
… die vollständige Entwaffnung der rechtsextremen Szene und der Reichsbürgerbewegung. Dies gilt bei einer entsprechenden Einstufung auch für Mitglieder der AfD. Rechtsextremist*innen und Verschwörungsideolog*innen dürfen nicht in den legalen Besitz tödlicher Waffen gelangen. Angesichts der aufgedeckten Umsturzplanungen und des hohen Gewaltpotenzials dieser Szenen ist dies ein untragbares Sicherheitsrisiko.
… den Fahndungsdruck auf straffällige Angehörige der rechten Szene und des Reichsbürgermilieus zu erhöhen. Offene Haftbefehle müssen zeitnah vollstreckt werden. Die hohe Zahl der offenen und neu ausgestellten Haftbefehle ist ein erhebliches Sicherheitsrisiko. Untergetauchte Neonazis können weiter schwerste Straftaten begehen, wie nicht zuletzt das Beispiel des NSU gezeigt hat.