Im vergangenen Jahr ereigneten sich jeden Tag statistisch gesehen fünf rechtsextremistisch motivierte Straftaten in Bayern. Fremdenfeindliche Kriminalität hat sich damit bei uns leider auf einem viel zu hohen Niveau stabilisiert. Und die rechtsextreme Szene in Bayern agiert heute zunehmend vernetzt und radikal. Das ist das Fazit unseres aktuellen Grünen Lagebilds zum Rechtsextremismus in Bayern, das Cemal Bozoğlu der Presse vorgestellt hat.
Im Jahr 2018 – das zeigen die Antworten der CSU-FW-Regierung auf diverse Anfragen der Landtagsgrünen – sind die Kennzahlen zu rechtsextremistisch motivierten Straftaten zwar zurückgegangen. Die Entwicklung bietet aber kaum Anlass zur Beruhigung. Jeder der mehr als 1.800 rechten Straf- und Gewalttaten aus dem vergangenen Jahr ist eine zu viel. In der Untergruppe der Straftaten der sogenannten Hasskriminalität, bei denen das Motiv konkret der rechtsradikale Hass gegen andere Menschen ist, haben die Fallzahlen im Vergleich zum Vorjahr zugenommen (2018: 659 Straftaten). Oft sind bestimmte Personengruppen Ziele der rechten Angriffe. Die Zahl der antisemitisch motivierten Straf- und Gewalttaten sind auf dem höchsten Stand seit Jahren: Von den insgesamt 219 antisemitischen Straftaten 2018 gingen 198 Fälle auf das Konto von Rechtsradikalen. Und auch Flüchtlinge, Asylhelfer*innen und Flüchtlingsunterkünfte sind nach wie vor das Ziel rechten Hasses.
Diese Zahlen zu den Straf- und Gewalttaten geben aber nur die Spitze des Eisberges wieder. In Bayern liegt das Potenzial des gewaltbereiten Rechtsextremismus nach Angaben des Verfassungsschutzes bei etwa 1.200 Personen. Auch wenn auf unser Drängen hin Neonazis in Bayern der Waffenbesitz endlich zunehmend unmöglich gemacht wird, fahren Rechtsradikale immer wieder zum Schießtraining ins benachbarte Tschechien. Das haben wir von der CSU-FW-Regierung erfahren. Auch in der Kampfsportszene in Bayern gibt es vereinzelt aktive Rechtsradikale. Gleichzeitig ermitteln bayerische Behörden wegen des Verdachts, dass das rechtsradikale Netzwerk „Blood & Honour“ wiederbelebt werden soll, das wegen seiner Gewaltbereitschaft eigentlich verboten ist.
Unser Lagebild zeigt auch, wie sich die rechte Szene in Bayern im letzten Jahr weiter gewandelt hat. Rechtsextremisten trauen sich, erst recht nach dem Einzug der AfD in die Parlamente, immer mehr in die Öffentlichkeit. Sie gehen in bayerischen Städten auf Streife, um vermeintlich für Sicherheit zu sorgen, die der Freistaat angeblich nicht garantieren kann. Die Zahl der Streifengänge von Rechtsradikalen hat sich im vergangenen Jahr verdoppelt (2018: 28 behördenbekannte Fälle). Auch die Vernetzung der rechtsextremen Szene hält an. Mitglieder der Identitären Bewegung Bayern haben Verbindungen zu Mitgliedern der AfD und ihrer Jugendorganisation, der Jungen Alternative. Und es gab im letzten Jahr wieder deutlich mehr Neonazi-Konzerte in Bayern als noch 2017.
Wir müssen feststellen, die rechtsextreme Szene in Bayern verändert sich, sie vernetzt sich zunehmend, sie radikalisiert sich und sie sucht Anschluss in der Mitte der Gesellschaft, so Cemal Bozoğlu. Der Rechtsextremismus stellt damit eine der größten Herausforderung und Gefahren für unsere freiheitliche- demokratische Gesellschaft dar.
Seit dem Jahr 2014 dokumentieren wir Landtags-Grünen die statistischen Kennzahlen zu rechten Straf- und Gewalttaten sowie Zahlen und Infos zu ausgewählten Entwicklungen in der rechten Szene in Bayern. Außerdem schlagen wir in unserem Lagebild konkrete Gegenmaßnahmen für eine wirksamere Bekämpfung des Rechtsradikalismus vor.
Diese Entwicklungen verlangen nach einer unmissverständlichen Reaktion von Staat und Zivilgesellschaft. Doch auch sieben Jahre nach der Selbstenttarnung des „NSU“ müssen wir leider feststellen, dass die CSU keine wirksame Strategie zur Bekämpfung von Rassismus und rechter Gewalt vorzuweisen hat. Das Ende 2017 aktualisierte Handlungskonzept der Staatsregierung gegen den Rechtsextremismus in Bayern zeigt keine Wirkung. Wir als Fraktion Bündnis 90/Die Grünen werden uns auch weiterhin konsequent gegen Rassismus und Neonazis einsetzen.